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Allgemeine Hinweise
Freitag, 25. April 2008
 Blatt / Kategorie: Psycho-Hygiene
[Ausschnitt aus einer Diskussion - fiktiv]

...

Ich habe Angst, dass ich mich in meinem Inneren selbst belüge.

Warum?

Weil das so ist. Jeder weiß doch, dass dies eine Sache ist, vor der man sich hüten muss.

Gibt es diese Sache überhaupt?

Selbstverständlich!

Sprichst Du aus eigener Erfahrung?

Ja und nein. Die eigene Erfahrung ist ja eben sehr unzuverlässig. Und wie gesagt: Es weiß ja nun wirklich jeder, dass der Mensch die Fähigkeit hat, sich selbst zu belügen.

Häufig sind auch Irrtümer so weit verbreitet wie eine Wahrheit. Das "jeder" ist insofern kein Argument. Außerdem bedeutet die Fähigkeit sich selbst zu belügen nicht, dass man die Fähigkeit ehrlich zu sich zu sein nicht mehr hat.

Theoretisch hast Du Recht. In der Praxis aber weiß man allein schon wegen der Möglichkeit, dass man sich selbst belügen kann, überhaupt nicht mehr mit Sicherheit, was man gerade tut. Eine Lüge, der man auf den Leim geht, ist - wenn man ihr wirklich auf den Leim geht - äußerlich ja genauso wie eine Wahrheit.

Ich glaube Du bist derjenige, der hier mehr Theorie produziert als von seinen Erfahrungen zu berichten.

Ich bin nur nicht naiv. Ich weiß, wozu der Mensch im Stande ist. Und die eigene Erfahrung ist, wie bereits gesagt, eben äußerst unzuverlässig - das ist es doch gerade!

Wenn Du nicht auf Deine Erfahrung zurückgreifst, muss diese Überzeugung irgendwie von außen in Dich reingekommen sein. Wie kam diese Idee in Deinen Kopf? Erinnerst Du Dich?

Puh, nein. Bzw. schwach. Ich erinnere mich des ein oder anderen Fragments in einem Gespräch mit verschiedenen, ganz vernünftigen Menschen, in dem ich dieser Idee zum ersten Mal begegnete. Außerdem ist sie einfach logisch. Wie gesagt: Wenn es dieses Selbst-Belügen gibt, dann wissen wir in dem Moment, in dem es passiert ja auch nichts davon! Wir kommen noch nichtmal auf die Idee, dass wir es gerade tun!

Das ist nur die Logik innerhalb dieser Annahme, also nachdem man sie angenomen hat. Und außerdem hätten wir gemäß dieser Logik doch niemals auf diese Idee kommen können.

Nun, man darf nicht allzu schwarz-weiß denken. Ein kleines bißchen kann der Mensch natürlich schon auf seine Erfahrung vertrauen. Aber nur ein kleines bißchen! Er muss verdammt aufpassen!

Und in diesem "kleines bißchen eigene Erfahrung" hat es sich Dir als wahr erwiesen, dass Du Dich selbst belügst?

Ja, ich habe schon das ein oder andere Mal festgestellt, dass ich mich selbst belogen habe.

Und hast Du dann damit weitergemacht?

Mal ja, mal nein.

War es dann aber wirklich noch dieses absolute Selbst-Belügen, von dem Du mir gerade erzählt hast? Also eines, das man sich wirklich überhaupt nicht anmerkt?

Nein, dann natürlich nicht mehr.

Könnte es nicht vielleicht auch sein, dass alles "Sich-Selbst-Belügen" dieser Art ist? Man merkt es eigentlich?

Vielleicht. Aber ein wesentlicher Teil des Problems ist ja auch, dass der Mensch überhaupt ein sehr fragwürdiges Wesen ist. Er ist in einem tiefen Egoismus gefangen. Dieser beherrscht ihn in seinem Innersten: dem Unterbewußtsein. Dort einzudringen ist viel zu kompliziert. Es ist unmöglich.

Das Problem ist in Deinem Weltbild also ein viel Größeres. Die Sache mit dem Sich-Selbst-Belügen scheint jedenfalls gar nicht so absolut zu sein. Die Tatsache, dass Du selbst schonmal festgestellt hast, Dich selbst belogen zu haben, ist doch gleichzeitig auch ein Zeugnis dafür, dass Du den Betrug aufgedeckt hast - also zur Selbst-Erkenntnis fähig bist.

Du stürzst Dich auf meine kleinen Erfolge als wären sie das Maß der Dinge. Dass sie so wenig an der Zahl sind, heißt doch aber nur, dass ich noch voller Lügen bin!

Es scheint mir, als ob es für Dich nur eine Art von Erkenntnis gibt: Die Erkenntnis, sich selbst belogen zu haben oder es zu tun.

Der Mensch ist schlecht und mit Lügen durchsetzt. Es ist seine allererste Aufgabe, sich von all den Lügen in ihm zu befreien. Das hängt mit seiner Schlechtigkeit zusammen.

Gleiche Frage wie vorhin: Wie kam diese Idee in Deinen Kopf?

Auch das sagen viele vernünftige Menschen. Man hört es öfter an vielen Stellen in der Gesellschaft.

Ist auch wieder "ein kleines bißchen eigene Erfahrung" an Deiner Überzeugung beteiligt?

Ich könnte hier einige schlechte Taten von mir aufzählen. Glaube mir, es ist leider so.

Du hattest gesagt, es gibt die Möglichkeit, sich von seinen Lügen zu befreien?

Theoetisch ja, praktisch ist das aber fast unmöglich. Es kommt eigentlich nur darauf an, es zu probieren und sein Leben lang zu versuchen. Es ist mehr so eine Art Gottesdienst. Erreichen wird man dieses Ziel bestimmt nicht. Letztlich geht es ja so oder so nur um die Gnade Gottes. Die ist das einzig Wichtige.

So kommt mir alles bisher Gesagte nur wie ein gedankliches Zeremoniell vor, durch das Du Dir die Gnade Gottes erkaufen willst. Die Gedanken in Deinem Kopf sind nicht der Suche nach Wahrheit gewidmet - Du willst die Gnade Gottes. Dabei meinst Du, dass Du diese durch eine kriecherische Selbst-Erniedrigung auf Dich ziehen kannst. Mit den Maßstäben eines gesunden Menschenverstands aber beleidigst Du den lieben Gott eher als dass Du ihn würdigst: Du traust ihm zu, dass er an so etwas Gefallen haben könnte.

Ich bin nur bescheiden, eventuell ein bißchen zuviel, aber das ist ja wohl besser als zuwenig! So bin ich auf der sichereren Seite.

Bescheidenheit hat keinen Wert, wenn sie nicht aus einer ehrlichen Einsicht in die Größe der Welt und seiner Rolle in ihr kommt. Auch hat Bescheidenheit nichts damit zu tun, sich als schlecht und verlogen zu betrachten. Was Du tust, entspricht eher einem ruinierenden Irrtum, der da heißt:

"Wenn man schlecht von sich denkt, ist man auf der sichereren Seite."

Dadurch kommt man aber weder Gott noch der Wahrheit über sich selbst näher.


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